
Dauerablage – Plädoyer gegen das Abrufen
Mal eben ruhig warten können, während Du Dein Kind dem Kindergarten übergibst.
Entspannt abliegen, damit sich der Reiter mit dem nervösen Pferd an Dir vorbeizureiten traut.
In einiger Entfernung sicher warten, damit Du dem gestürzten Radfahrer aufhelfen kannst.
Die sichere Ablage ist nicht nur eine Pflichtübung für Hundesportler, sondern kann für jeden Hundebesitzer nützlich sein. Deshalb freut es mich, dass viele mit ihren Hunden die Ablage üben. Doch leider macht so mancher sich und seinem Hund dabei das Leben schwerer als notwendig.
Im ersten Teil dieses Beitrags beschreibe ich die Übung, wie so oft durchgeführt wird.
Im zweiten Teil betrachten wir die Ablage sowohl aus der Sicht des Menschen als auch aus der des Hundes und stellen fest, dass beide ganz unterschiedliche Interessen dabei haben.
Im dritten Teil beschreibe ich Dir einen anderen Aufbau, der das Abrufen Deines Hundes nicht vorsieht und Deinem Hund das Warten erleichtert.
Am Ende findest Du noch ein paar Hinweise, die für jede Übung mit Deinem Hund beachtet werden sollten.
Die Ablage: Standardübung schon immer so gemacht.
Der Hund hat verstanden, dass er sich auf das Signal „Platz“ hin hinlegen soll. Jetzt übt man die Dauerablage und beginnt, sich zu entfernen. Erst nur ein kleines Stück, dann immer weiter und auch mal außer Sicht. Bleibt der Hund liegen, ruft man ihn ab. Er bekommt seine Belohnung und man geht weiter spazieren.
So sehe ich es bei meinen Spaziergängen bei anderen Hundebesitzern, so wird es in vielen Videos bei Youtube und in den sozialen Medien gezeigt, so habe ich es gemacht.
Es hat tatsächlich 30 Jahre gedauert, bis ich diese Übung hinterfragt habe.
Warum sollte man eine Übung hinterfragen, die doch so einfach ist?
Weil sie eben doch nicht immer so einfach läuft, wie geplant. Der Hund liegt immer auf „hab acht“, er robbt sich Stück für Stück vor und plötzlich rennt er doch los. Deshalb schleicht sich sein Besitzer wie auf rohen Eiern gehend davon. Er dreht sich regelmäßig zu seinem Hund um ihn zu kontrollieren und beschwört ihn immer wieder mit einem flehenden bis drohenden „bleeeiiib“, das oft eher wie eine Frage als wie eine Feststellung klingt, doch bitte an Ort und Stelle zu warten. Beide sind gleichermaßen erleichtert, wenn das erlösende „Hier!“ endlich die Übung beendet.
Es gibt Hunde, die ihre blinden Besitzer sicher durch eine Großstadt führen, ihnen Briefkästen und freie Plätze auf Sitzbänken zeigen. Warum ist es dann so schwer, einfach mal liegen zu bleiben? |
Versetze Dich in Deinen Hund!
Und zwar am besten noch bevor Du anfängst, etwas zu üben. Wenn Du Dir überlegst, wie Du eine Übung aufbauen möchtest und Dich vor Beginn des Trainings in Deinen Hund hineinversetzt, fällt Dir oft schon das Problem ins Auge, dass es zu vermeiden gilt. Das gilt natürlich für alle Übungsziele, nicht nur für die Ablage.
Die Ablage analysiert
- Was soll mein Hund lernen?
Mein Hund soll auf das Signal „Platz“ hin sich ablegen und so lange ruhig liegenbleiben, bis ich die Ablage auflöse. - Was will ich?
Ich will, dass mein Hund entspannt und möglichst bewegungslos an Ort und Stelle zurückbleibt, bis ich ihn rufe. Auch dann, wenn er mich nicht mehr sehen kann. - Was will ich nicht?
Ich will nicht, dass der Hund sich hinsetzt um mich besser sehen zu können, unruhig oder angespannt ist, nach vorne robbt oder gar aufsteht und zu mir kommt.
Eigentlich ist es ja überflüssig sich zu überlegen, was ich NICHT möchte, denn das ist schließlich das Gegenteil von dem, was ich will. Ich habe es trotzdem getan, damit das Folgende besonders klar wird:
- Was will mein Hund?
Mein Hund will bei mir sein, oder mich zumindest immer im Blick behalten. Außerdem mag er sich gern bewegen, erst recht draußen. - Was will mein Hund nicht?
Mein Hund will nicht von mir getrennt werden, mich aus den Augen verlieren, von mir zurückgelassen werden oder draußen herumliegen anstatt zu laufen, zu schnüffeln oder zu spielen.
Das grundsätzliche Problem bei der Dauerablage besteht darin, dass die Interessen von mir und meinem Hund gegensätzlicher nicht sein könnten. |
Was mache ich?
Ich lege meinen Hund mit „Platz“ ab und gehe weg. Nach einer gewissen Strecke drehe ich mich zu meinem Hund um. Ist er liegen geblieben, rufe ich ihn ab und belohne ihn zum Beispiel mit Futter oder Spiel, bevor wir weiter spazieren gehen.
Eine Übung, zwei Sichtweisen
Ich werte die Übung als Erfolg, wenn ich mich eine immer weitere Strecke von meinem Hund entfernen kann, ohne dass er aufsteht. Hier liegt mein Fokus.
Ist er gut liegen geblieben, rufe ich ihn zu mir um das Kommando aufzulösen und belohne ihn, sobald er bei mir angekommen ist.
Mein Hund möchte aber so schnell wie möglich wieder bei mir sein und sich bewegen dürfen. Er fiebert deshalb dem Moment entgegen, in dem ich ihn endlich rufe und er kommen darf. Das ist der Moment, auf den er sich konzentriert, zumal er dann auch endlich seine Belohnung erhält. Seine Gedanken sind deshalb während der gesamten Übung beim Aufstehen und loslaufen, also genau dort, wo ich sie nicht haben möchte!
Eine entspannte und sichere Ablage ist für ihn so kaum möglich. Klar, dass es da zu „Fehlstarts“ kommen kann, wenn der Hund zum Beispiel meine Stimme hört, eine Handbewegung fehlinterpretiert oder seine Ungeduld einfach überhand nimmt.
Dass Hunde sehr genaue Beobachter sind, macht die Sache auch nicht gerade besser. Habe ich mir zum Beispiel angewöhnt, meinen Hund immer gleich dann zu rufen, nachdem ich mich zu ihm umgedreht habe, wird er sehr bald aufstehen und kommen, nachdem ich mich umgedreht habe. Auch dann, wenn ich nicht gerufen habe.
In diesem Video siehst Du meinen Harzer Fuchs Fenja, die gelernt hat, dass sie aus der Ablage oft abgerufen wird.
Sie liegt mit den Hinterbeinen unter dem Körper, jederzeit dazu bereit aufzuspringen.
Fenja kann den Moment kaum abwarten, in dem ich sie rufe.
Du erkennst deutlich, dass sie mehrmals fast zu früh aufgestanden wäre.
Fenja hat keine Zeit zu entspannen. Sie weiß schließlich nicht wann sie gerufen wird und will diesen wichtigen Moment auf keinen Fall verpassen!
So klappt die Ablage
Versuche, Deinen Fokus mit dem Deines Hundes so weit wie möglich in Einklang zu bringen. |
Im Moment bin ich weit davon entfernt: Während ich möchte, dass mein Hund ruhig abliegt, auch wenn ich mich weit entferne, sehnt mein Hund den Moment herbei, an dem er aufstehen darf. Und das kann jeden Augenblick passieren, also hat er keine Zeit zur Entspannung.
Nun baust Du die Ablage ganz anders auf. Das Abrufen wird komplett aus der Übung gestrichen. Dein Hund wartet nicht auf den Moment, in dem Du ihn abrufst, weil er diesen Moment gar nicht kennt.
Das Auflösesignal
Ein Signal soll so lange gelten, bis Du etwas anderes sagst. Das kann entweder eine andere Übung sein, oder das Auflösesignal (z. B. „Ab!“), dass den Hund in die Freizeit entlässt.
Die richtige Belohnung
Für diese Übung solltest Du Deinen Hund nach Möglichkeit mit Futter belohnen.
Denn belohnst Du ihn mit einem Spielzeug, ist eine Zwischenbestätigung nicht möglich – der Hund wird ja zum Spielen aufstehen. Außerdem ist Spiel mit toller Bewegung verbunden und wir wollen ja gerade vermeiden, dass er in der Ablage auf die Bewegung wartet.
Das Futter solltest Du Deinem Hund immer in Bodennähe geben am Besten zwischen den Vorderbeinen. So gibst Du Deinem Hund keinen Grund aufzustehen wie es der Fall wäre, wenn Du ihm das Futter von oben anreichen würdest. Außerdem solltest Du bei der Belohnung immer die Ruhe bewahren. Hektische Bewegungen verleiten ihn zum Aufstehen.
Platz heißt warten
Sobald Dein Hund verstanden hat, dass „Platz“ bedeutet, dass er sich hinlegen soll, bringst Du ihm bei, dass das Hinlegen immer eine längere Geschichte ist. Dabei musst Du nicht weggehen. Lege ihn mit „Platz“ hin, gib ihm eine Futterbelohnung wie oben beschrieben bodennah zwischen den Beinen und achte darauf, dass er liegen bleibt. Nach kurzer Zeit bekommt er für das Liegenbleiben wieder eine Belohnung. Du beendest die Übung, in dem Du ihm eine Belohnung gibst und ihn dann mit dem Auflösesignal freigibst.
Und erst jetzt ist die Zeit für Bewegung gekommen! Ihr spielt vielleicht noch etwas miteinander oder er darf wieder Schnüffeln und eben Hundedinge tun. Aber immer erst nach dem Auflösesignal, dass immer nach dem letzten Keks kommt (und damit logischerweise dann, wenn Du bei ihm bist).
Aus dieser Übung formst Du ganz einfach die Dauerablage:
Du bleibst bei ihm stehen und verlängerst die Zeit zwischen den Belohnungen (achte darauf, dass er immer eine unterschiedliche Anzahl von Belohnungen bis zur Auflösung erhält).
Drehe Dich während der Ablage mal von ihm weg, entferne Dich einen Schritt, hocke Dich hin und baue andere Variationen in seiner unmittelbaren Nähe ein. Übe aber immer nur eine neue Sache pro Übung und verlängere die Dauer der Ablage. Gehe um Deinen Hund herum, bleibe in seinem Rücken stehen, sprich mit jemanden (oder mit Dir selbst). Lege ihn neben einer Bank ab und sitze eine Weile darauf. Baue leichte Ablenkungen ein, sei kreativ. Alles in seiner Nähe.
Erst wenn die Ablage in Deiner Nähe klappt, entfernst Du Dich. Erst einen Meter dann zwei, dann ein Stückchen weiter. Der Ablauf bleibt immer gleich. Du gehst weg, Du kommst wieder, belohnst ihn zwischen seinen Beinen und gehst wieder. Er bleibt liegen, bis Du ihn nach einer Belohnung freigibst, Ihr Euch gemeinsam über die tolle Übung freut und er wieder seine Freizeit genießen darf.
Klappt das gut, legst Du ihn kurz vor einer Ecke ab um die Du verschwinden kannst. Nach Möglichkeit kannst Du ihn dann noch sehen, er Dich aber nicht. Du verschwindest dort für unglaubliche 0,5 Sekunden, dann tauchst Du wieder auf und belohnst ihn. Auch diese Übung beginnt klein und wird langsam aufgebaut, bis Dein Hund sicher auch außer Sicht abliegt.
Dein Hund lernt, dass die Ablage lange dauert und dass es ganz egal ist was Du tust: Du wirst zu ihm kommen und ihn zwischen seinen Beinen belohnen und ihn danach irgendwann freigeben. Und erst dann darf er wieder laufen.
Du hast einen ganz anderen Fokus gesetzt. Er wartet nicht mehr gespannt auf das, was bei Dir weit von ihm entfernt geschieht um den Moment nicht zu verpassen, in dem er aufstehen darf. Denn er weiß, dass dieser Moment erst kommen wird, wenn Du bei ihm bist und ihm das Auflösesignal gegeben hast. Er hat in der Entfernung nichts zu erwarten. Er hat Zeit, auf Dich zu warten.
Frieda, Lagotto, ein Jahr alt. Sie lernt gerade erst die Ablage.
Frieda hat von Anfang an gelernt, dass „Platz“ länger dauert.
Im Gegensatz zu Fenja macht sie es sich gleich etwas bequem und zieht die Hinterbeide nicht gespannt unter den Bauch.
Frieda ist auch nicht in Versuchung, zwischendurch aufzustehen. Denn sie weiß, dass die Übung nur endet, wenn ich wieder zurückgekommen bin.
Frieda hat Zeit, entspannt zu warten.
Und was ist mit „Bleeeiiib“ und „Hier“?
Das Signal „Bleib“ ist vollkommen überflüssig es sei denn, Du möchtest Deinem Hund beibringen, auf dieses Signal hin mal eben auf Dich zu warten oder etwas anderes zu tun. Du brauchst es jedenfalls nicht um Deinem Hund zu sagen, dass er im Platz bleiben soll, wenn Du Dich entfernst. Denn Platz heißt ja schon: „Liege, bis ich Dir etwas anderes sage“.
Etwas anderes ist es mit dem Abrufen besonders, wenn Du mit Deinem Hund eine Begleithundeprüfung machen möchtest. Aber auch bei diesem Signal kommt vieles auf die Definition an, dazu gibt es irgendwann noch einmal einen Extrabeitrag. Bis dahin sei gesagt, dass es unnötig ist, den Hund abzulegen, wenn Du ihm das „Hier“ beibringen willst. Und es reicht aus, das Abrufen aus der Ablage mal kurz vor der Prüfung oder eben mal ausnahmsweise zu machen. Wenn Du Deinen Hund 200 mal ablegst und einmal abrufst, wird sich sein Fokus kaum ändern.
Bitte beachte bei Deinen Übungen immer folgende Hinweise:
- Hat Dein Hund eine neue Schwierigkeit gemeistert, wird er sofort belohnt.
- Macht Dein Hund einen Fehler und steht auf, darfst Du nicht böse werden. Er will Dich nicht ärgern und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Macht Dein Hund die Erfahrung, dass Du böse/genervt/unfreundlich sein kannst wenn Du wiederkommst, wird seine Ablage wieder unruhig werden. Mache ihm die Übung einfach wieder etwas leichter und übe in kleinen Schritten weiter.
- Wenn Du merkst, dass es heute einfach nicht klappt, übe an einem anderen Tag weiter. Manchmal hat man einfach einen schlechten Tag, das gilt für Dich genauso wie für Deinen Hund.
- Übe die Ablage nur dann, wenn Dein Hund sich in der Ablage wohlfühlen kann. Muss er sich mal lösen, kann er nicht entspannt abliegen. Ist der Boden zu kalt für Deinen kurzhaarigen Hund, wird es auch nicht klappen.

