
Leinenführigkeit
Du erwartest doch nichts Schwieriges. Dein Hund soll keine Spezialausbildung absolvieren und keine Zirkuslektionen beherrschen. Er soll einfach nur nicht an der Leine ziehen. Aber obwohl er „Sitz“, „Platz“ und andere Dinge schnell gelernt hat und Du schon so lange zur Hundeschule gehst, zieht er noch immer an der Leine. Warum begreift er es nicht? Und wie kannst Du Deinem Hund die Leinenführigkeit beibringen?
Warum klappt es nicht?
Was soll Dein Hund lernen?
Anfangen tut das Dilemma schon, wenn Du versuchst Deinem Hund beizubringen, nicht an der Leine zu ziehen.
Du musst Dir immer überlegen, was Dein Hund machen soll und dies positiv formulieren, damit Du es ihm beibringen kannst.
Übst Du „Sitz“, lernt er ja auch nicht, dass er nicht liegen oder stehen soll, sondern dass Du möchtest, dass er sitzt.
Für die Leinenführigkeit kannst Du Dir zum Beispiel vornehmen ihm beizubringen, dass er an lockerer Leine auf Höhe Deines Knies laufen soll. Jetzt hast Du ein Übungsziel, dass Du ihm beibringen und positiv verstärken kannst. Möchtest Du, dass er „nicht an der Leine zieht“, kannst Du eigentlich nur abwarten bis er zieht und ihn dafür in irgendeiner Weise bestrafen. Das ist allerdings erstens für Deinen Hund nur schwer zu verstehen und zweitens entspricht diese Vorgehensweise nicht mehr dem „Stil unserer Zeit“.
Das Ziehen bestrafen durch Richtungswechsel oder Stehenbleiben
Aber zum Thema Leinenführigkeit bekommt man Ratschläge, die von Anfang an mit Strafen arbeiten – ich nehme an, dass sie nur nicht als Strafe erkannt werden.
Wenn Dein Hund nämlich an der Leine zieht, weil er vor sich einen interessanten Geruch erkunden oder an irgendein anderes Ziel gelangen will und Du das Ziehen mit einem Richtungswechsel beantwortest, kommt er nicht mehr zu seinem angepeilten Ziel. Auch wenn Du immer stehen bleibst und erst dann weitergehst wenn er nachgibt und die Leine locker lässt, gehst Du davon aus, dass Du so viel Frust im Hund erzeugst, dass er irgendwann „die Faxen dicke hat“ und lieber aufhört zu ziehen, um irgendwann mal ohne ständige Stopps gehen zu können. Auch hier willst Du das Ziehen bestrafen, anstatt ihm beizubringen, was er eigentlich machen soll.
Eine falsche Handlungskette durch Stehenbleiben
Leider funktioniert diese Vorgehensweise nur sehr selten.
Ich denke, dass der Gedankengang „ich gehe lieber in Zukunft an lockerer Leine, sonst muss ich stehen bleiben und komme später an den tollen Geruch“ doch etwas zu komplex für einen Hund ist.
Bleibst Du immer stehen, wenn Dein Hund zieht, ist das Risiko viel größer, dass er eine Handlungskette entwickelt und davon überzeugt ist, dass der Ablauf „ziehen, stehen bleiben, einen Schritt zurück gehen, weitergehen, ziehen, stehen bleiben,…“ den völlig normalen Ablauf seiner Spaziergänge darstellt. Je konsequenter Du stehen bleibst, desto schneller lernt Dein Hund diesen Ablauf und beherrscht ihn irgendwann in Perfektion. Ich habe das schon einige Male gesehen. Das Ziehen wird aber nicht verhindert.
Richtungsechsel – ein tolles Spiel
Die Richtungswechsel dagegen klappen gut, allerdings nur solange Du Dich voll auf Deinen Hund konzentrierst. Machst Du die Richtungswechsel richtig, dann hat Dein Hund einfach keine Zeit mehr, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als auf Dich. Er folgt Dir dicht und zieht deshalb nicht mehr an der Leine – besonders wenn Du nicht nur hin- und hergehst, sondern so viel Platz hast, dass Du auch rechte Winkel laufen kannst.
Dieses Spielchen macht den Hunden oft auch viel Spaß. Allerdings sorgt es auch nicht dafür, dass Dein Hund gut an der Leine läuft. Denn erstens wird es normalerweise vom Hundeführer nicht so zackig ausgeführt, dass es tatsächlich für den Hund interessant wird. Es ist ja auch normalerweise nicht als Spielchen für die Aufmerksamkeit sondern als Strafe für das Ziehen geplant. Und zweitens kommt man so nicht vom Fleck.
Die Möglichkeit ist auch hier gegeben, dass eine Handlungskette aufgebaut wird und außerdem kommen wir hier zu einem weiteren Problem:
Deine Konsequenz
Gehst Du in die Hundeschule lernst Du, wie Du Deinem Hund die Leinenführigkeit beibringen kannst. Aber schon wenn Du nach der Stunde mit Deinem Hund zum Auto gehst, zieht er wieder an der Leine. Und auf jedem Spaziergang ebenfalls. Er übt das Ziehen viel öfter als das Laufen an lockerer Leine – warum sollte er eines Tages beschließen, es zu lassen?
Selbst wenn Du sehr konsequent bist und Dir vornimmst immer darauf zu achten, dass Dein Hund neben Dir läuft, wirst Du schnell merken, dass Du selbst das gar nicht möchtest. Denn Dein Hund soll nur an der Straße neben Dir laufen. Im Park soll er schnüffeln und sich lösen dürfen, das ist schließlich der Sinn Deines Spazierganges.
Aufbau der Leinenführigeit
Leinenführigkeit ist natürlich trotzdem möglich. Zum Beispiel mit diesem Aufbau:
- Formuliere für Dich ein positives Übungsziel, auf das Du hinarbeiten kannst. Also zum Beispiel: Mein Hund soll an lockerer Leine auf Höhe meines Knies laufen“. Für manche ist es praktischer, den Hund hinter sich laufen zu lassen, auch das ist möglich.
- Sorge dafür, dass Dein Hund den Unterschied deutlich erkennen kann zwischen der Zeit, in der er artig neben Dir laufen soll und der Zeit, in der er ziehen darf. Zum Beispiel, indem er ein Geschirr trägt wenn er ziehen darf, Du die Leine aber am Halsband befestigt, wenn er neben Dir zu laufen hat. So verhinderst Du, dass Du Dir die Trainingserfolge kaputt machst, wenn Du es gerade eilig hast und nicht üben kannst.
- Mache es wie mit allen anderen Signalen: Zeige Deinem Hund ruhig und geduldig was Du von ihm möchtest, belohne richtiges Verhalten gut und möglichst oft. Verhindere zuerst, dass Dein Hund Fehler machen kann. Baue dann die Belohnungen langsam ab, riskiere dass er Fehler macht (die Position verlässt) und setze dann konsequent Grenzen. Begleite Deine Grenze/Strafe (wie auch immer sie für Deinen Hund angemessen ist, oft reicht es schon, den Hund mit einem quergestellten Bein den Weg nach vorn zu blocken) mit einem Geräusch, zum Beispiel einem Zischen. Übe erst ohne Ablenkung und steigere die Anforderungen langsam.
- Machst Du alles richtig, wird Dein Hund bald gut an der Leine laufen und ansonsten wird das Zischen genügen, um ihn an seinen Platz zu erinnern.
Herzlichen Glückwunsch! Jetzt hat Dein Hund endlich gelernt, an lockerer Leine zu laufen.
Damit kommen wir zum letzten Problem mit der Leinenführigkeit.
Dranbleiben!
Wenn Du Dich jetzt nämlich darüber freust, dass alles so gut klappt und Du endlich entspannt spazieren gehen kannst ohne ständig Käse in der Tasche zu haben, wirst Du nachlässig. Und irgendwann, Du stehst vielleicht gerade an einer Ampel und Dein Hund hat etwas Zeit, ist da dieser eine schöne Geruch. Er geht hin und zieht dabei nur ganz wenig an der Leine. Aber:
Er hat seine Position verlassen und wurde dafür sofort positiv bestätigt, denn er hat sein Ziel (den tollen Geruch) erreicht!
Das passiert nicht einmal, sondern immer mal wieder. Hier und da auch mal im Gehen und ohne, dass es Dir zuerst großartig auffallen muss. Aber Deinem Hund fällt es auf: Er zieht und kommt zum Erfolg.
Leinenführigkeit ist wirklich eine Fleißarbeit. Lässt Du sie schleifen, ist die Chance groß dass er doch bald wieder an der Leine zieht und Dein Training von vorn beginnt. Deshalb musst Du immer aufmerksam bleiben, wenn Du mit Deinem Hund an der Leine gehst!
Quellennachweis:
Das Beitragsbild stammt von MabelAmber auf Pixabay

