Wann beginnt die Erziehung?

Wenn Du einen Hund bekommst, egal in welchem Alter, hast Du bestimmt zumindest eine vage Vorstellung davon, wie er einmal sein und was er können soll.
Vielleicht möchtest Du Hundesport mit ihm machen? Er soll eine Gehorsamsprüfung ablegen um von der Leinenpflicht befreit zu werden? Er soll sich souverän durch den Großstadtdschungel bewegen, mit Dir wandern und campen gehen und eben immer und überall ein guter Begleiter sein. Und zu Hause soll er sich natürlich auch gut benehmen.

Egal, welche Ansprüche Du an Deinen Hund stellst: Er muss sehr viel lernen. Und Du hast Dich vielleicht schon gefragt, wann Du damit anfangen sollst, ihm das alles beizubringen.
Zu diesem Thema habe ich schon viele verschiedene Meinungen gehört.
Sie reichen von „Die Ausbildung muss unbedingt ab dem ersten Tag beginnen“ über „lass ihn erst einmal ein paar Tage ankommen und sich eingewöhnen“ bis zu „der Hund muss in seinem ersten Lebensjahr gar nichts lernen und erst einmal Hund sein dürfen“.
Mit diesem Beitrag möchte ich Dir aufzeigen, wie viel ein Hund selbst dann lernen muss, wenn er keine bestimmte Ausbildung haben soll und Dir dabei helfen, eine sinnvolle Struktur aufzubauen und zwischen Erziehung und Ausbildung zu unterscheiden.
Denn alles auf einmal kann Dein Hund auf keinen Fall lernen, auch wenn Du fleißig übst. In manchen Situationen solltest Du das Üben auch einfach sein lassen.

Dein Hund lernt immer. Auch, wenn Du ihm gar nichts beibringst.

Fakt ist, dass Dein Hund sein Leben lang lernt und damit beginnt er am ersten Tag. Auch wenn Du gerade nichts mit ihm übst. Denn er beobachtet Dich ständig, studiert Deine Körpersprache und Deine Reaktionen in jeder Situation und irgendwann kommt es vielleicht auch Dir so vor, dass Dein Hund Dich besser kennt als Du selbst. Er merkt sich außerdem auch in ganz normalen Situationen, wie Du reagierst und lernt, was er sich leisten kann und was nicht.


Erziehung oder Ausbildung?

Für die Frage, was man seinem Hund wann beibringen sollte, finde ich es wichtig, zwischen Erziehung und Ausbildung zu unterscheiden.

Erziehung macht aus Deinem Hund einen angenehmen Begleiter.
Ausbildung bereitet ihn auf bestimmte Aufgaben vor.


Erziehung

Im Bereich der Erziehung hat Dein Hund sehr viel zu lernen. Dabei ist es egal, in welchem Alter Du Deinen Hund bekommst. Ist er schon älter, hast Du vielleicht Glück und er kennt einige Dinge schon, vielleicht hat er aber auch schon etwas gelernt, was Du nicht magst. Das könnte Dir die Erziehung erschweren, wie Du in diesem Beitrag lesen kannst.

Was gehört zur Erziehung?

Alle Hausregeln, die Du für Deinen Hund aufstellst, wie zum Beispiel:

  • Stubenreinheit
  • Räume, die der Hund nicht betreten darf (z. B. Kinderzimmer oder Küche)
  • Die Frage, ob er auf dem Sofa oder dem Bett liegen darf (und wenn ja, unter welchen Bedingungen)
  • Ob er zur Tür laufen darf wenn es klingelt
  • Wie er sich beim Füttern zu verhalten hat (muss er irgendwo warten und auf Deine Freigabe warten?) und ob er am Tisch betteln darf

Alle Dinge, an die er sich gewöhnen soll, wie zum Beispiel:

  • Auto fahren
  • Alleine bleiben
  • Box, Zwinger oder bestimmte Räume als Ruhezone annehmen
  • Körperpflege akzeptieren (bürsten, baden, evtl. scheren)
  • Behandlungen erdulden (Ohren säubern, Augen behandeln, Zähne kontrollieren, Krallen schneiden, festgehalten werden,…)
  • Einen Maulkorb tragen

Den Gehorsam, den Du im Alltag brauchst, wie zum Beispiel:

  • Leinenführigkeit
  • Kommen auch unter Ablenkung
  • Warten
  • Beute abgeben
  • Nicht ohne Kommando aus dem Auto springen

Und die normale Sozialisation in der belebten und unbelebten Umwelt, wie zum Beispiel:

  • Umgang mit anderen Hunden
  • Umgang mit Menschen in jedem Alter
  • Bus und Bahn fahren
  • Entspanntes Verhalten in hektischer Umgebung (lauten Straßen, Bahnhöfen, Gaststätten,…)

 

Ab wann beginnt die Erziehung

Alle Hausregeln gelten ab dem Moment, in dem Dein Hund das erste Mal Dein Haus betritt.
Deshalb beginnt die Erziehung Deines Hundes tatsächlich schon, bevor er bei Dir einzieht, denn Du musst Dir überlegen, welche Regeln in Deinem Haus gelten sollen.
Denke daran, dass es sowohl für Dich als auch für Deinen Hund viel einfacher ist, eine Regel von Anfang an durchzusetzen, als Deinem Hund erst etwas zu erlauben und es ihm hinterher zu verbieten.

Unter den anderen Punkten die zur Erziehung zählen, findest Du weitere Dinge, die Dein Hund möglichst schnell lernen sollte (wie die Gewöhnung an die Umwelt) und andere, mit denen Du Dir Zeit lassen kannst (wie die Gewöhnung an einen Maulkorb).
Auf jeden Fall kannst Du Deinem Hund vieles in geplanten Übungseinheiten beibringen, sodass Dein Hund nicht alles auf einmal lernen muss.
Damit Du Deinem Hund kein unerwünschtes Verhalten abgewöhnen (bzw. ihm ein anderes Verhalten beibringen) musst weil er schon etwas falsches gelernt hat, ist etwas Planung gefragt.

Verhindere falsches Verhalten so weit wie möglich, bis Du ihm das richtige Verhalten beigebracht hast.

Soll Dein Hund zum Beispiel die Küche nicht betreten, halte die Küchentür stets geschlossen, bis Du ihm in Ruhe die Grenze beigebracht hast. So verhinderst Du, dass er unbeaufsichtigt den verbotenen Raum betritt und lernt, dass es dort tolle Mülleimer gibt und Du vermeidest, dass Du ständig hinter Deinem Hund herlaufen und ihn aus der Küche holen musst.
Hast Du Deinem Welpen noch nicht beigebracht an der Leine zu laufen, dann versuche zu vermeiden, ihn anleinen zu müssen. Trage ihn lieber an eine Stelle, an der er frei laufen kann. So vermeidest Du, dass er lernt an der Leine zu ziehen, bevor Du ihm beigebracht hast, wie er richtig an der Leine laufen soll. Da Du die Leine aber oft brauchen wirst und die Neugier auf die Umwelt die Angst vor dem Unbekannten bald besiegt, sodass er Dir nicht mehr immer folgen wird, solltest Du mit dem Leinentraining sehr schnell beginnen.

Die Gewöhnung an die Körperpflege und an medizinische Behandlungen kannst Du in tägliche Kuscheleinheiten einfließen lassen. Gucke Deinem Hund einfach mal in die Ohren oder halte ihn kurz fest, wenn er sich gerade entspannt von Dir streicheln (mit der Hand oder auch einfach mit der Bürste) lässt. So verbindest Du das Angenehme mit dem Nützlichen.
Sich Beute abnehmen zu lassen, ist sehr wichtig für Deinen Hund. Schließlich kann er sich auch mal für eine rostige Coladose oder eine Frikadelle mit Nägeln begeistern. Das Training hierfür kann man auch ganz einfach in den Alltag einfließen lassen. Da es hier meiner Meinung nach aber nicht reicht, dem Hund beizubringen, dass „Du der Chef bist, dem man gefälligst alles überlassen muss“, schreibe ich hierzu noch einmal einen Extrabeitrag.

Du siehst, die Liste ist lang. Und kein Hund lernt alles auf einmal. Deshalb solltest Du mit der Erziehung sofort anfangen und in täglichen, kleinen Übungen trainieren, Dich dabei aber erst einmal auf die Dinge konzentrieren, die Dir persönlich sehr wichtig sind.
Dabei solltest Du immer daran denken, dass es wichtig ist, wie Du die Aufgabe für Deinen Hund definierst und dass es besser ist so zu üben, dass Du Deinen Hund oft belohnen kannst und Strafen (in welcher Form auch immer) gar nicht erst notwendig werden.


Was gehört zur Ausbildung?

Alles, was Dein Hund lernen soll, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen, gehört zur Ausbildung.
Dazu gehört zum Beispiel:

  • Die Unterordnung für die Begleithundeprüfung
  • Das Training für einen Hundesport
  • Rettungshundearbeit
  • Die Vorbereitung eines Assistenzhundes (Blindenhund, Behindertenbegleithund, Warnhund für Diabetiker, Epileptiker etc.)
  • Spürhunde für Drogen, Sprengstoff, Schädlinge etc.

Mit der Ausbildung musst Du nicht sofort nach Einzug Deines Hundes anfangen. Eine gute Erziehung legt einen soliden Grundstein für die Arbeit und wie Du gerade gesehen hast, seid Ihr mit der Erziehung erst einmal bereits gut beschäftigt. Besonders ernsthafte Arbeit kann man von einem Welpen sowieso noch nicht erwarten. Trotzdem ist es natürlich möglich.

Wenn ich einen Welpen bekomme, lasse ich ihn ein paar Tage lang ankommen (die Erziehung beginnt natürlich sofort), dann nehme ich ihn mit zum Training in der Rettungshundestaffel.
Dort macht er aber erst einmal nur Gewöhnungsübungen:
Er lernt den Ablauf eines Trainingstages kennen, übt das Warten im Auto. Er macht sich mit den Kameraden der Staffel bekannt und lernt, sich abseits der Wege durch das Unterholz zu bewegen. Erst nach einigen Trainingstagen beginnen die ersten richtigen Rettungshundeübungen, die in unserer Staffel allerdings fast ausschließlich darin bestehen, dass er frisst ohne viel dafür zu tun.
Natürlich lasse ich den Welpen nicht den ganzen Tag lang alleine zu Hause und fahre nur mit meinen erwachsenen Hunden zum Training. Und wenn er schon mal da ist, kann er natürlich auch etwas machen.
Erfahrungsgemäß ist es aber so, dass die Ausbildungszeit eines Welpen länger ist als die eines zum Beispiel einjährigen Hundes mit guter Vorerziehung.
Der Welpe kann sich nun einmal noch nicht so gut konzentrieren und ist noch voll mit seiner eigenen Entwicklung beschäftigt.


Solltest Du heute trainieren?

Regelmäßiges Training ist wichtig, egal was Du Deinem Hund beibringen möchtest. Aber Du solltest nicht um jeden Preis trainieren! Manchmal ist es auch besser, einfach mal nichts zu tun. Das gilt auch, wenn das bedeutet, dass Du die Hundeschule heute absagen musst. In einigen Fällen ist weniger mehr!

  • Übe nur dann mit Deinem Hund, wenn seine Grundbedürfnisse erfüllt sind. Ein Hund, der sich mal lösen muss, der Hunger hat, sich nicht sicher fühlt, krank ist oder sich aus irgendeinem anderen Grund unwohl fühlt, kann sich nicht konzentrieren, da sind Hunde nicht anders als wir.
  • Übe nur mit Deinem Hund, wenn Du gute Laune hast, denn schlechte Stimmung überträgt sich schnell auf den Hund. Dein Hund wird verunsichert und macht Fehler, die noch mehr schlechte Stimmung bei Dir hervorrufen. Ein Teufelskreis, der immer in Ungerechtigkeiten dem Hund gegenüber endet.
  • Übe nur dann mit dem Hund, wenn der Hund in der gegenwärtigen Situation dazu in der Lage ist, die Aufgabe richtig zu erledigen, ohne sich unwohl zu fühlen. Ist die Ablenkung gerade zu groß, ist Dein Hund schlecht gelaunt oder zu aufgedreht oder stimmt das Wetter nicht, braucht man die Übung gar nicht erst anzufangen. Mit meiner gelockten Frostbeule würde ich bei kaltem Wetter zum Beispiel keine Ablage üben, denn dann würde ich ihr nur beibringen, dass „Platz“ die Übung ist, bei der sie sich immer unwohl fühlt, weil sie friert.
  • Übe nie „einfach drauf los“, sondern habe immer einen Plan im Kopf, damit die Übung strukturiert abläuft und weder der Hund noch du selbst durcheinander kommt.
  • Überlege Dir zu Anfang einer neuen Lektion, was genau der Hund mit dem Kommando verbinden soll. Nach Möglichkeit besteht seine Definition des Kommandos aus einer einzigen Handlung seinerseits. Denn das lernt er am Besten und hinterher ist das Kommando am flexibelsten einzusetzen.
  • Übe immer erst den kleinsten Schritt der Dir für Deine Übung einfällt. Wenn dieser Schritt gut und sicher beherrscht wird, dann baust Du darauf auf, bis die Übung komplett beherrscht wird. Achte darauf, dass Du dabei immer folgenden Ablauf einhältst:
    Aufbau: Du bringst den Hund dazu, das richtige zu tun. Dabei lockst Du ihn auch mit Futter in die richtige Position. Das Locken baust Du allerdings ab, sobald Du das Gefühl hast, dass der Hund verstanden hat, was er soll. Die Übungssituation bleibt dabei immer dieselbe (Du hast zum Beispiel immer denselben Ort, an dem Du übst)
    Festigen: Du übst solange, bis der Hund die Übung auch ohne Locken nicht nur durch Zufall, sondern in Deiner jeweiligen Übungssituation sehr häufig richtig ausführt. Das Futter gibt es hinterher zur Belohnung.
    Generalisieren: Wenn der Hund die Übung jedes Mal in derselben Situation richtig ausführt, dann wird die die Übungssituation geändert. Man übt an anderen Orten, in anderen Situationen, mit mehr Ablenkung. Erst dann, wenn der Hund ein Kommando zuverlässig immer und überall ausführen kann, dann beherrscht er es auch. Vorher nicht. Es wäre unfair von Dir, ihm dreimal zu zeigen, dass er sich bei „Platz“ hinlegen soll, und dann zu erwarten, dass er sich auf 20 Metern Entfernung sofort hinlegt, wenn vor ihm ein anderer Hund zum Spiel einlädt.
  • Bevor der Hund ein Kommando nicht wirklich zuverlässig beherrscht, solltest Du dafür sorgen, dass er nichts falsch machen kann, wenn Du gerade nicht übst. Bringst Du ihm zum Beispiel bei, nicht an der Leine zu ziehen, dann darfst Du ihm keine Gelegenheit dazu geben an der Leine zu ziehen, wenn Du gerade nicht übst. Denn er wird das Ziehen nie lassen, wenn er an 7 Tagen in der Woche bei 3 Spaziergängen zieht und am Sonntagnachmittag in der Hundeschule eine halbe Stunde lang lernt, an lockerer Leine neben Dir zu gehen.

Ich wünsche Dir viel Spaß beim Training mit Deinem Hund. Schau gern wieder vorbei, hier werden noch viele Beiträge zu Themen rund um die Erziehung folgen.

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